Mein lieber Freund Peter Ehrenfels teilt bei Mann im Glück in seiner unnachahmlichen Weise seine Gedanken. Heute schreibt er, was Männlichkeit für ihn ganz persönlich bedeutet. Viel Spaß beim Lesen!
Männlichkeit
Die Generation unserer Väter und Großväter hatten sicher andere Sorgen, als sich die Frage zu stellen was männlich ist. Doch die Frage: „Wann ist der Mann ein Mann?“, ist gesellschaftlich bedeutsam geworden. Mit gleichnamigem Hit hat Herbert Grönemeyer vor mittlerweile 35 Jahren die Frage hierzulande mit eingeläutet. Seither machen sich immer mehr Männer auf den Weg ihr Mannsein existenziell zu erforschen.
Meine Motivation mich meiner Männlichkeit zu stellen waren meine Krisen. Was macht mich als Mann aus? Was hat mich geprägt? Wofür stehe ich? Wie kann ich meine Gefühle identifizieren? Weiß ich was ich will und warum? Was für einen Typ Mann repräsentiere ich?

Ich verstehe Männlichkeit als einen fortwährenden Entwicklungsprozess, der mich auf einen Weg geführt hat, mich mit diesen Fragen zu konfrontieren. Fragen die mich aufforderten, mich mit meinem Mannsein und mit der Entwicklung der Männer in unserer Gesellschaft auseinanderzusetzen. Ich bin sehr dankbar für die Erfahrungen auf dem Weg zu mir. Mich selbst kennenzulernen, zu verstehen und zu reflektieren, warum ich so ticke, wie ich ticke.
Ich repräsentiere den Typ Mann, der…
- …gelernt hat, sein Lebensgefühl an Arbeit und Erfolg zu knüpfen. Durch mein Pflichtbewusstsein, meinem Engagement und meinem Leistungswillen habe ich mir Anerkennung, Wertschätzung, gutes Geld, sowie das Gefühl der Zugehörigkeit erarbeitet.
- …in seinen Liebesbeziehungen stets bemüht war, es meiner Partnerin recht zu machen. Der sich für die Kritik, der wenigen gemeinsamen Zeit und dass ich mit der Firma verheiratet bin, mit dem durch die Arbeit erwirtschafteten Wohlstand rechtfertigte.
- …als Kind sehr bald erwachsen werden musste, der seine kindlichen Träume, Wünsche und große Fantasien dem Ernst des Lebens untergeordnet hat. Ich war bestrebt den Zielen und Erwartungen anderer gerecht zu werden.
- …für seinen Sohn in den ersten Prägejahren nicht wirklich präsent gewesen ist. Für mich war der Job das wichtigste.
- …sich aus Mangel an Selbstliebe die Liebe und Anerkennung durch Leistung zu erarbeiten suchte.

Wir lernen von dem Umfeld, von dem wir körperlich und mental in unserer kindlichen und jugendlichen Entwicklung abhängig sind und ahmen nach, was uns vorgelebt wurde. So hat jeder von uns seine Biographie, die ihn zu dem Mann gemacht hat der er bis heute ist.
Männlichkeit bedeutet für mich, ein Bewusstsein zu verinnerlichen, dass in meinem Individuum ein einmaliges Potenzial steckt, dass ich als Schöpfer meines Lebens selbstbestimmt entfalten kann. Ich allein bin verantwortlich was ich aus meinem Leben mache.
Im Gegensatz zu unseren Eltern und Großeltern haben wir heute Zugang zu einem umfangreichen Wissen aus der Evolutionspsychologie, die uns verständliche Erklärungen liefern, wie und wodurch unsere Persönlichkeit geprägt wird. Wie die intrinsische und extrinsische Motivation unsere Handlungen steuern. Wie ungelöste Energien unserer Ahnen von Schuld, Scham, Mangeldenken und Ängsten in uns wirken.
Wir wissen, dass wir männliche und weibliche Anteile in uns tragen und dass das männliche eher rational, nach Außen und das weibliche emotional, nach innen orientiert ist. Wir leben seit über 2000 Jahren in einem patriarchalen, männerdominierten Leistungssystem, das in den letzten Jahrzehnten aufbricht, u. v. m.
Unser Bewusstsein entwickelt sich weiter. Wir wissen, dass wir fähig wären alles zu schaffen woran wir glauben. Unser Ego als Wächter, Richter und Vollstrecker unserer Gedanken, kreiert ein Bewusstsein aus denen wir unsere Realität erschaffen. Im besten Fall eine, die dem Weg des Herzens folgt.
„Männer führen Kriege“ – mit den Nationen, mit Konkurrenten, mit dem Nachbarn, mit den Frauen, aber vor allem mit sich selbst – „Männer sind außen hart und innen ganz weich, werden als Kind schon als Mann geeicht…!“ Wir müssen glücklicherweise schon lange nicht mehr in den Krieg ziehen. Wir dürfen eine Zeit erleben, in der wir uns selbst erfahren, um insbesondere das verletzte Kind in uns kennenzulernen und wahrzunehmen.
Das Kind, das…
- …seine herzliche Freude leben möchte, jenseits vom Vergleich, vom besser sein wollen, mächtiger, einflussreicher, wohlhabender.
- …keinen Titel oder Status braucht, um glücklich zu sein.
- das Bedürfnis einer vertrauensvollen Verbindung mit dem Abenteuergeist anderer spürt, um mit ihnen den Träumen und Fantasien Raum zu geben, für das was in seinem Herzen brennt und die Augen zum Leuchten bringt.
- …sich auf natürliche Weise verbunden mit den Menschen fühlt und allem Leben auf diesem Planeten, den es schützten und nicht ausbeutet will.
Was also ist Männlichkeit? Aus meiner Sicht noch immer ein Universum.

Aber wir leben in einem Universum, das im steten Wandel ist, in dem wir mit einem wachen Bewusstsein die Qualitäten und die Schaffenskraft unserer Männlichkeit zum Wohle aller einbringen können. Wir können aus der Geschichte lernen. Wir dürfen hinterfragen, was unsere Vorfahren nicht hinterfragt haben. Wir können für unsere Frauen die starke Schulter zu sein und ihnen die Geborgenheit schenken, die es ihnen ermöglicht ihre Weiblichkeit für uns Männer zu öffnen.
Der Weg dahin führt meiner Überzeugung nach in einer aufrichtigen Verbindung unter uns Männern, in der wir uns unserem Innenraum, dessen, was unser rationaler Verstand nicht wirklich fassen kann, zuwenden. Dass wir den Mut entwickeln, uns selbst zu begegnen, Freigeist, Rebell und Visionär zu sein, dass wir mehr unserem Herzen und der Stimme des Kindes in uns folgen und unserem Leben den Sinn und die Würde zu verleihen, die sich in jedem von uns entfalten will.
Das ist meine Vision, echte Männlichkeit zu leben!
Ich freue mich sehr, wenn der eine oder andere seine Gedanken zu meinem Artikel in der Facebook Männer-Lounge teilt, und vielleicht auch, wie es dir persönlich mit – eigenen oder gesellschaftlichen – Wertesystemen ergeht.
Herzlichst, euer Peter
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